Roringer Warte - Berwinkelswarte
Germanist Eberhard Rohse lüftet Geheimnis um Roringens Bärenwarte
Quelle: Göttinger Tageblatt, Michael Brakemeier 01.07.2014
Ganz und gar nicht, wie der pensionierte Roringer Germanist Eberhard Rohse jetzt herausfand. Die Spuren führen statt in die Tier- in die Pflanzenwelt. Schon kurz nach dem Bau der Warte um 1406 taucht der Name Bärwinkel als niederdeutsche Bezeichnung des Wartenumfeldes auf. So berichtet eine Göttinger Kämmereirechnung von 1407/08 über die Besoldung der „Wartmänner“ – Wächter, die an der Warte Dienst schoben und auch den Knick, eine Wallhecke mit parallel verlaufendem Graben, bewachten. So waren damals die Knickhüter Hans Hartmann und Herman Wever für die Hecken an dem „bärwinkele“ oder „berewinkel“ zuständig.
Vergessenes Plattdeutsch-Lexikon
Nach Rohses Forschungen lassen sich auf regionalen Flurkarten vom Ende des 16. Jahrhunderts die Namen „Bardewinckels ward“ (1582) und Parwinkelß Warthe“ (um 1600) finden. Die Herkunft des Namens erklären sie nicht.
Diese Erklärung habe er, so Rohse, in einem „heute nahezu vergessenen Plattdeutsch-Lexikon“ gefunden.
In dem „Wörterbuch der niederdeutschen Mundart der Fürstenthümer Göttingen und Grubenhagen“ von 1858 beschreibt Georg Schambach das Winter-, Sinn- oder Immergrün, das auf niederdeutsch „perwinkel“ oder „berwinkel“ heißt. „Davon hat die Berwinkels-wâre, ein Wartturm bei Roringen, den Namen erhalten. Hieran knüpft sich ein Heirathsorakel. Die heirathslustigen Burschen und Mädchen setzten jeder ein Blatt des Wintergrüns aufs Waßer. Diejenigen, deren Blätter zusammenschwimmen und sich so vereinigen, heirathen sich.“
„Die Geschichtslandschaft spricht. Wenn man sie denn zum Reden bringen kann“
Somit sei klar: „Berwinkel“ ist eine Pflanzenname, der „Wartturm bei Roringen heißt, da wo berwinkel wächst“ und „berwinkel“ hat nichts mit Bär oder Winkel zu tun, sagt Rohse. Vielmehr ließen sich die Wortteile ins Lateinische zurückverfolgen. So heiße „vincire“ schnüren oder binden. „Pervincire“ etwa zum Kranz binden. „Vinculum“ ist die Schnur. 1964 berichtet Henry Fuchs in seinem Handbuch „Flora von Göttingen“ über das „Vinca minor“ oder auch „Perwinkelkraut“: In „großen, dichten Massen“ wachse es an der Roringer Warte. Noch heute ist es dort zahlreich zu finden.
Und lange Zeit hatte das Immergrün, das auch als Heilkraut, Unsterblichkeitssinnbild oder Liebesorakel gilt, eine festen Platz in der Roringer Kirche. So seien bei Konfirmationen und Hochzeiten Kanzel und Altarraum, Emporen und Taufstein mit Immergrün-Girlanden verziert worden, so Rohse. Traditionsgemäß hätten die Jungen im Dorf die Pflanzen pflücken und die Mädchen binden müssen.
„Das Teilwissen war da. Es war nur noch nicht zusammengeführt“, sagt Rohse über seine Heimatforschung. „Die Geschichtslandschaft spricht. Wenn man sie denn zum Reden bringen kann.“
Roringen ein Tummelplatz für Bären? Der Name der Roringer Warte, die im Dorf als Bärwinkelswarte bekannt ist, legt das nahe. Und auch ein schwarzer, aufrecht gehender Bär, der seit den 1950er-Jahren neben der Warte Roringens Ortwappen ziert, bekräftigen die Bedeutung von Meister Petz für das Göttinger Bergdorf. Roringen, einst ein Tummelplatz für Bären?
Roringer Warte, auch Berwinkelswarte genannt.
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